Neurogene Darmfunktionsstörungen angehen
Behandlung und Management der Symptome neurogener Darmfunktionsstörungen sollten auf Einzelfallbasis erfolgen. Es gibt keine Behandlung, die ‘für alle passt’. Behandlungsinterventionen sollten immer speziell auf die Bedürfnisse des Einzelnen abgestimmt sein, um zu einer möglichst effektiven Darm-Routine zu gelangen.
In diesem Artikel werden die verschiedenen Stufen der Interventionsmöglichkeiten vorgestellt. Es wird empfohlen, dass Personen mit neurogener Darmfunktionsstörung (NBD) die Behandlung auf der untersten Stufe der Pyramide (siehe unten) mit weniger invasiven Behandlungsoptionen beginnen. Nur wenn die Behandlung unwirksam oder unzureichend ist, sollte man zur nächsten Behandlungsstufe übergehen. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt, um sicherzustellen, dass Sie eine Behandlung anwenden, die für Sie geeignet ist.
Die Behandlungspyramide für Darmprobleme bei Menschen mit MS
Die “Behandlungspyramide” ist eine Möglichkeit, um medizinische Fachkräfte und Patienten auf ihrem Behandlungspfad bei NBD anzuleiten und zu unterstützen. Sie zeigt auf, welche Optionen es zum Management von Darmschwäche gibt, ermutigt alle Betroffenen aber auch dazu, wenn möglich weniger invasive Möglichkeiten zu berücksichtigen.
Veränderter Lebensstil, Ernährung und Flüssigkeit sowie Abführmittel
Generell wird eine Ernährung mit fünf Portionen Obst und Gemüse empfohlen. Außerdem sollte täglich ein hoher Anteil an Vollkornprodukten, wie Vollkornbrot oder Produkte aus nicht raffiniertem Getreide, verzehrt werden. Achten Sie auf eine gesunde Ernährung und beurteilen Sie die Stuhlkonsistenz, um dann Ihre Ernährung gegebenenfalls entsprechend anzupassen, um die passende Stuhlkonsistenz herbeizuführen.
Die Flüssigkeitszufuhr ist ebenfalls wichtig. Für einen Erwachsenen wird eine Flüssigkeitsmenge von 1,5 bis 2,5 Litern pro Tag empfohlen. Ob Sie ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen, können Sie leicht an der Farbe Ihres Urins erkennen: Ein ‘hellgelber’ Urin deutet auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr hin.
Orale Abführmittel sind ebenfalls eine Möglichkeit, um den Darm wieder in Gang zu bringen. Gemeinhin beinhalten orale Abführmittel sowohl Stimulantien, die eine erhöhte Darmaktivität auslösen, als auch Stuhlweichmacher, stuhlauflockernde Mittel und osmotische Mittel. Sie alle zielen darauf ab, die Stuhlform zu modulieren und können regelmäßig angewendet werden, um eine vorhersehbare Stuhlkonsistenz zu erreichen. Bei der Einnahme oraler Abführmittel sollte überlegt werden, wie die daraus resultierende Darmaktivität zu steuern ist.
Weitere nicht-invasive Behandlungsmöglichkeiten bei Darmproblemen
Die digitale rektale Stimulation ist eine gängige Behandlungsstrategie für Personen mit neurogenen Darmfunktionsstörungen. Es stellt eine Technik dar, mit der zu einem gewählten Zeitpunkt der Transport von Stuhl in das Rektum stimuliert und die Stuhlentleerung eingeleitet wird. Die digitale Stimulation erfolgt durch Einführen eines behandschuhten, mit einem Gleitmittel bestrichenen Fingers durch den Analkanal in das Rektum und durch Drehen des Fingers in kreisenden Bewegungen. Dies wird so lange fortgesetzt, bis sich der äußere Afterschließmuskel entspannt, Stuhl entleert wird oder bis sich der innere Schließmuskel zusammenzieht und Darmaktivität signalisiert wird.
Arzneimittel können auf verschiedene Weise eingenommen werden, z. B. in Form von Tabletten, Flüssigkeiten oder Injektionen. Zäpfchen sind nur eine weitere Möglichkeit der Arzneimittelaufnahme: Es handelt sich dabei um ein kleines rundes oder kegelförmiges Teil, das Sie in Ihr Rektum einführen, wo es dann den Wirkstoff abgibt. Häufig führt die Anwendung von Zäpfchen schon nach 20 bis 30 Minuten zum Stuhlgang.
Andere Optionen im Vergleich zu konservativem Darmmanagement
Wenn diese anfänglichen Interventionsstrategien der ersten beiden Stufen der Pyramide nicht funktionieren, müssen Sie vielleicht weitere Behandlungsmöglichkeiten mit Hilfe Ihrer medizinischen Fachkraft in Erwägung ziehen.
Transanale Irrigation zur Behandlung von Darmproblemen
Die transanale Irrigation (TAI) ist eine weniger konservative Behandlung, bei der Wasser in den Darm gespült wird, damit der Stuhl im Rektum und im absteigenden Dickdarm entleert werden kann. Wasser wird über einen Rektalkatheter in den Darm geführt. Die TAI kann für Personen geeignet sein, die mit Stuhlinkontinenz, Verstopfung, Bauchschmerzen bei der Stuhlentleerung, Blähungen oder länger andauernden Stuhlentleerungen zu tun haben. Es wurde herausgefunden, dass die TAI die symptombezogene Lebensqualität von Menschen mit neurogenen Darmfunktionsstörungen (NBD) verbessert.
Stimulation des Sakralnervs bei Darmschwäche
Eine invasivere Behandlung im Kampf gegen neurogene Darmfunktionsstörungen ist die Stimulation des Sakralnervs. Hier werden Elektroden an den Nervenwurzeln im Körper (im Bereich des Kreuzbeins) implantiert. Wird eine kurze Stimulation mit hoher Spannung angewendet, erhöht der Darm seine Aktivität, die Verstopfung wird reduziert und es kann sogar die Stuhlentleerung hervorgerufen werden.
Antegrade Dickdarmirrigation
Die ACE-Spülung (von Antegrade Colonic Enema, antegrader Einlauf) bezeichnet das Verfahren den Stuhlgang durch Spülen des Darms mit Flüssigkeit hervorzurufen. Ein Stoma wird am Bauch angelegt, durch das eine Salzwasserlösung über einen Katheter in den Darm eingebracht wird. Normalerweise kommt es 30 bis 60 Minuten danach zum Stuhlgang. Dieses Verfahren wird regelmäßig durchgeführt, oftmals täglich und hilft bei der Vorbeugung gegen Verstopfung oder fäkale Missgeschicke.
Sakrale Vorderwurzelstimulation
Die sakrale Vorderwurzelstimulation (SARS) kann ebenfalls angewendet werden, um die Darmfunktionen zu unterstützen, wenn diese durch MS beeinträchtigt sind. Bei diesem Verfahren wird mittels einer Elektrode schwacher Strom durch ausgewählte Sakralnervenwurzeln geleitet. Die Elektrode ist mit einem im Gesäß implantierten elektrischen Impulsgeber verbunden. Auf diese Weise können Botschaften zwischen Darm und Gehirn korrigiert und so das Darmverhalten modifiziert werden. Wenn sich das Darmverhalten in Folge der Behandlung verbessert, kann ein permanenter Impulsgeber implantiert werden.
Anlegen eines Stomas
Das Anlegen eines Stomas gilt häufig als letzte Möglichkeit bei neurogenen Darmfunktionsstörungen. Dennoch haben Studien gezeigt, dass das Anlegen eines Stomas bei manchen Menschen die Lebensqualität erheblich verbessern kann, da es den Zeitaufwand für das Darmmanagement reduziert und den Betroffenen mehr Unabhängigkeit verschafft.